Von Roland Keich
Das „S“ in „ESG“ steht für „Social“ und zeigt den Stellenwert des Sozialen innerhalb der Nachhaltigkeit. Neben ökologischen Anforderungen und dem klassischen sozialen Wohnungsbau werden wir neue Konzepte brauchen, die sozial nachhaltig sind. Ein Beispiel hierfür sind Baugemeinschaften.
Seit den 1990er-Jahren haben sich Baugemeinschaften in Hamburg als Wohnform etabliert. Etwa 140 Baugemeinschaften mit über 3.200 Wohneinheiten sind seit den 1980er in der Stadt bereits entstanden. Die ersten Baugemeinschaften starteten als Kleingenossenschaften in St. Pauli, St. Georg und in anderen innerstädtischen Lagen. Später kamen weitere Lagen und andere Projektformen hinzu. Bei vielen Baugemeinschaften stand die Suche nach besonderen sozialen oder ökologischen Lösungen im Mittelpunkt, oft abseits vom baulichen oder inhaltlichen Mainstream von Immobilienprojekten, so wurden sie häufig Trendsetter.
Baugemeinschaften werden in Hamburg künftig noch relevanter: Einerseits stärkt die Stadt Baugemeinschaften und Kleingenossenschaften, die Pioniere in innerstädtischen Lagen sind, wie die Gröninger Hof eG, die ein Parkhaus mit Grauer Energie umbaut und mit ihrem Nachbarschaftskonzept die Innenstadt belebt. Andererseits integrieren die Stadtplanerinnen und -planer im großen Stil Baugemeinschaften in städtebauliche Flächenentwicklungsgebiete. Die Freie und Hansestadt sieht eine Quote von bis zu 20 Prozent der Flächen für Baugemeinschaften vor. Im östlichen Teil der Hafencity konnte die Stadt erste größere Erfahrungen damit sammeln. Investoren und Baugemeinschaften bewarben sich teils gemeinsam auf Baufelder und bebauten erfolgreich Flächen.
Aktuell sind in den Entwicklungsgebieten Spreehafenviertel, Elbinselquartier und Rathausquartier in Wilhelmsburg bis zu 860 der insgesamt circa 4.300 Wohneinheiten für Baugemeinschaften vorgesehen. Im Oberbillwerder sollen bis zu 1.400 Wohneinheiten für Baugemeinschaften reserviert werden. Damit wächst auch der Druck auf die Investoren und Projektentwickler, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und teils Baugemeinschaften in ihren Projekten zu integrieren.
Für Projektentwickler bieten diese Kooperationen auch Chancen. Denn sie zahlen auf die eigene ESG-Bilanz ein, die wiederum für Kapitalanlegern, Kommunen und Kreditgeber immer wichtiger wird. Andererseits haben Projektentwickler und Investoren ihre etablierten Methodiken und Abläufe, um Projekte möglichst effizient und zielgerichtet zu entwickeln. Baugemeinschaften sind in der Regel aber keine Immobilienprofis und haben häufig demokratische Prinzipien des Miteinanders. Hier braucht es eine Vermittlung zwischen den Welten und neue Ansätze der Baubetreuung durch spezialisierte Projektsteuerer bzw. Baubetreuer wie zum Beispiel unsere Tochtergesellschaft GSF Gesellschaft für Immobilienberatung mbH, die dabei über das etablierte System der Baugemeinschaftsbetreuung hinaus gehen. Toleranz und Kreativität sind notwendig. Im Endeffekt öffnen sich aber neue Türen für Projektentwickler und die Qualität der Quartiere gewinnt im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit.
Hinweis: der Blogbeitrag basiert auf einem Artikel von Roland Keich in der NordSchrift 1/2022 vom BFW Nord
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