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Mit Immobilienentwicklung urbane Räume neu vernetzen

Eindrücke vom Architekten und Planertag 2019

Autorin: Julia Barthel



Was fällt einem auf dem Weg zum Architekten- und Planertag als erstes auf? Man befindet sich in einem komfortablen Shuttlebus mit Architekten und Planern aus der Großstadt auf kurvigen Landstraßen im Anflug auf den kleinen, idyllischen Ort Büdelsdorf im norddeutschen Schleswig-Holstein. Ausgerechnet dort sollen wir von weltweit renommierten Referent*innen hören und sehen, wie sie Städte neu erfinden und Altes mit Neuem verknüpfen, um urbane Gefüge fit für die Zukunft zu machen. Was dem GSF Team anfangs paradox erschien, entpuppte sich schnell als hochspannendes Format, randvoll mit Input-Vorträgen und Best Practice Beispielen, die vielschichtig aufzeigen, auf wie viele unterschiedliche Arten nachhaltige Stadtentwicklung gedacht werden kann. Kaum unserem Shuttle entstiegen, wurden wir von der ACO Mannschaft in das Gelände des weltweit führenden Spezialisten für Entwässerungstechnik geführt. Als Unternehmen mit dichtem Bezug zu Architektur und Planung in allen Stufen lädt ACO in Kooperation mit AIT-Dialog einmal im Jahr zum Architekten- und Planertag ein. Das zentrale Thema für 2019 war (Re) Connecting – Urbane Räume neu vernetzt.


Transformation vom Kellog Areal zum Stadtquartier 

Martin Josst, der für das Büro Delugan Meissl Associated Architects aus Wien angereist war, faszinierte uns gleich im ersten Vortrag mit einer lokalen, norddeutschen Geschichte von ambitionierter Quartiersentwicklung in Bremen. Was auf dem ehemaligen Kellogg-Areal gedacht und gebaut wird, soll sich zu einem Mischquartier aus Wohnen und Arbeiten entwickeln. Spannend wird dieser Gedanke, den man durchaus öfter in solchen Zusammenhängen hört, durch Ideen wie den „Genusshafen“. Als ein zentraler Baustein des neuen Quartiers soll ein Bio- und Regionalmarkt einziehen und mit einer angeschlossenen Gastronomie von Anfang an Leben und Atmosphäre in den neuen Stadtteil bringen. Vorhandene Strukturen wie die benachbarten Lagerhallen werden weiter genutzt, um dort Firmen aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie anzusiedeln. Selbst das Silo bekommt ein zweites Leben als Hotel mit Zimmern in einem ungewöhnlichen Format geschenkt. Formen der Bestandserhaltung und Umnutzung, die den Charakter des früheren Industriegeländes erhalten, sind aufwändig und kostspielig. Sie entsprechen aber dem Gedanken, Neues und Altes in urbanen Gefügen miteinander zu verbinden. Als Architekt erklärte Martin Josst, dass dahinter eine persönliche Motivation des Bauherren steckt: Er möchte seiner Stadt etwas zurückgeben und legt deshalb Wert auf eine nachhaltige Entwicklung im Bestand. 


Gebäude wachsen um archäologische Ausgrabungen 

Eine ganz andere Art, das Thema (Re) Connecting zu denken und zu bauen, lernten wir durch die nächste internationale Referentin kennen: Die Gestaltung öffentlicher Gebäude, bei denen archäologische Funde oder historische Bauwerke in ein urbanes Gefüge einbezogen werden. Ganz plastisch erzählte Ángela García de Paredes von den Herausforderungen, die es mit sich brachte, in Ceuta an der Mittelmeerküste von Marokko, eine Bibliothek um eine Ausgrabungsstätte aus dem 14. Jahrhundert herum zu bauen. Neben einer steilen Hanglage hatten die Architekten Paredes Pedrosa auch besondere klimatische Bedingungen zu berücksichtigen. Doch für alle Probleme fanden sie durch eine sorgfältige Analyse des Ortes sowohl praktische als auch ästhetische Lösungen. Die Bibliothek wurde in Form von Terrassen um die archäologische Ausgrabung gelegt, während das harte Sonnenlicht durch eine geschickte Anordnung von Aluminium Paneelen abgefangen wird. In diesem Projekt zeigte sich bereits ein Prinzip, das auch in vielen anderen Best Practice Beispielen wieder auftauchte: Nachhaltige Gebäude der Zukunft werden durch die Besonderheiten des Ortes mitgestaltet und das spiegelt sich auch in den vielfältigen Funktionen der Innenräume wieder. So finden sich in der Bibliothek in Ceuta nicht nur Bücher zum Ausleihen, sondern auch Ausstellungsflächen, Forschungslabore und Archive.


Best Practice für urbane Vernetzung

Wie wesentlich sich die urbane Landschaft und die verschiedenen Funktionen eines Gebäudes auf seine Gestaltung auswirken, lernten wir auch durch vier weitere Best Practice Beispiele in einem ungewöhnlichen Format. In knackigen Impulsvorträgen von 15 Minuten bekam das GSF Team Einblicke in vier spannende Projekte, die erfolgreich neue Stadtbausteine in bestehende Strukturen einfügen konnten. Die Bereiche waren mit den Themen Industry, Mixed Use, Housing und Education sehr breit gefächert. Besonders auffällig ist der Zusammenhang zwischen Landschaft und Gebäude bei dem anspruchsvollen, spiralförmigen Science Center in Heilbronn. Es nimmt nämlich die Form der Insel im Neckar auf, an deren Spitze es von Wasser umgeben ist. Der Einblick in Projekte aller Größenordnungen vom einzelnen Gebäude bis zum Quartier, brachte für uns eine wichtige Erkenntnis mit sich: Nachhaltiges Bauen kann die unterschiedlichsten Gesichter haben. Es geht nicht nur um Fragen der Umweltfreundlichkeit, sondern ebenso um die Erhaltung von Bestand mit Sinn, das Bewahren der Geschichte im öffentlichen Raum, eine clevere Mischung von vielen Funktionen für lebendige Stadtbausteine und viele andere Aspekte. 


Architektur und Planung treffen Kunst und Kultur


Der Widerspruch zwischen dem ländlichen Umfeld, in das uns unsere Reise führte und den urbanen Themen des Tages löste sich schnell auf, während wir ein internationales Projekt nach dem nächsten kennen lernten. Im schnellen Rhythmus wechselten wir zwischen der Entwicklung riesiger Areale in China und von Akteuren und kulturellen Kontexten angetriebener Quartiersentwicklung in Berlin. Doch gerade als unsere Köpfe an der Grenze der Aufnahmefähigkeit angelangt waren, brachte ein Wechsel von Taktung und Thema die Gelegenheit zum Durchatmen. Buchstäblich brauchten wir nur durch eine weitere Tür zutreten und fanden uns auf dem Gelände der ACO Gruppe plötzlich in

einem Skulpturenpark mit märchenhaften Exponaten von Künstlern aus aller Welt wieder. Diese letzte Wendung des Tages zeigte, warum man ein Buch nicht nach seinem Umschlag und einen Ort nicht nach seiner Adresse beurteilen sollte: Im kleinen, idyllischen Büdelsdorf in Schleswig-Holstein befindet sich die NordArt – eine der größten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Europa. Dass Kunst und Architektur ein fabelhaftes Duo bilden, versteht sich hingegen von selbst. So flogen wir, gesättigt mit inhaltlichem Input und ästhetischen Eindrücken, in unserem komfortablen Shuttle zurück zum urbanen Hauptquartier in Hamburg. 

Der wichtigste Impuls des Tages für uns als GSF: Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung von Immobilien oder Quartieren finden sich fast überall. Es braucht aber auch gute Ideen für eine langfristige, grüne Finanzierung und Förderung. Denn bei allen umgesetzten Projekten aus der Praxis zeigte sich, dass eine sorgfältige Beschäftigung mit dem Ort und den Bedarfen der Menschen sich lohnen und von Anfang an mitgedacht werden sollten.




Ceuta, Public Library

Education – Experimenta Heilbronn



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